Heute, erneut ganze 24 Stunden vor der Gehaltszahlung, haben wir Mitarbeiter*innen die Nachricht erhalten, dass die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung nicht wie versprochen ausgezahlt wird.
Schon im November 2019 hätte die Geschäftsführung – und damit sind die wahren Verantwortlichen gemeint, nicht nur diejenigen, die als neue Geschäftsführer ihren Kopf hinhalten, während die, die das Sagen haben, sich hinter andere Posten zurückziehen – hätten also alle Verantwortlichen auch Ver.di darüber informieren müssen, dass die Jahressonderzahlung nicht vereinbarungsgemäß ausgezahlt sondern vielmehr gesplittet werden soll. Das hätte zumindest ein Zeichen des Vertrauens sein können, wenn man an die anstehenden Tarifverhandlungen denkt, Offenheit und Transparenz.
Da aber auch wir, die Betroffenen, die Leidtragenden, die auf jeden Cent angewiesen sind, erst am Tag vor dem Novembergehalt davon erfuhren, ist es kaum verwunderlich, dass man von Seite der wirklich Verantwortlichen bezüglich Information an die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften offenbar keinen Gedanken verschwendet hat. In gleicher Konsequenz erfuhr auch der damals amtierende Betriebsrat zusammen mit den Kolleg*innen und Kollegen per E-Mail an die Privatadresse davon, obwohl die Verantwortlichen das Gremium hätten rechtzeitig und umfassend informieren müssen.
Diesmal war der direkte Geschäftsführer CIS wenigstens bei seinem neuen Betriebsrat, um vor der Nachricht an alle seiner Auskunftspflicht gegenüber dem Gremium nachzukommen. Die wirklich Verantwortlichen hätten das auch tun können, und das sicher schon früher als am letzten Tag.
Sich der „Altlasten“ entledigen
Vielmehr hätte es so – Offenheit und Transparenz – schon immer sein können. Information ist Pflicht, und Transparenz schafft Vertrauen. So hätte es sein können, als die ehemalige Geschäftsführerin lieber in die Insolvenz ging, statt mit dem Betriebsrat zu sprechen und eine Vereinbarung zu treffen, die fälligen Mehrarbeitsstunden – es waren 26.000 Stunden – zu einem späteren Zeitpunkt an die Mitarbeiter*innen auszuzahlen. Denn die Bilanz krankte vor allem an diesem Berg Mehrarbeitsstunden, die der damalige Betrieb der Belegschaft schuldete, sowie an den vielen unnötigen Prozesskosten, die sich durch jede neue gerichtliche Instanz anhäuften, mit der die ehemalige Geschäftsführerin den Tariflohn zurückhielt. Denn nicht etwa die Geltendmachungen haben den Betrieb ruiniert, dafür waren es einfach viel zu wenige, die Anspruch hatten, und noch weniger, die tatsächlich klagten, auch wenn die damalige Geschäftsführerin nicht müde wurde, die Lüge über die „Schuld der Klagenden an allem“ immer wieder zu verbreiten.
Letztendlich kam die Wahrheit aber ans Licht: Selbst die diversen Wirtschaftsprüfungen ergaben, dass Missmanagement, schlechte Beratung durch teure Anwälte und eine mangelhafte Refinanzierung für bestimmte strukturelle Probleme, die Ursache für die schlechten Zahlen war. Obwohl letztere, man hätte es sicher nachweisen können, im März 2016 absichtlich schlecht gerechnet wirkten. Wahrscheinlich versprach sich die ehemalige Geschäftsführerin eine glatte Beseitigung ihrer Verbindlichkeiten; sie dachte wohl, sie hätte sich mit einem Schlag aller Schulden gegenüber den Mitarbeiter*innen entledigt. Da über eine Quote für die CeBeeF-Arbeitskräfte unter den Gläubiger*innen nur noch philosophiert werden kann, hätte sie damit wohl Recht behalten.
Die Rechnung ging allerdings nicht auf, was die Weiterführung des Betriebs anging. Da hätte man wohl etwas ändern müssen in der Handhabung der Geschäfte, in den Verhandlungen zur Refinanzierung und vor allem in den Ausgaben für die Insolvenz, die mehr kostete als wir Mitarbeiter*innen in einem Arbeitsleben verdienen werden, trotz Tariflohn! Das hätte man ganz sicher auch anders machen und Kosten einsparen können. Aber dann hätten auch weniger Leute an dieser Insolvenz verdient. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Als klar war, dass nur noch ein Investor die Lage retten kann, hätte durch eine Übernahme des Betriebs durch die Stadt ein großes Potential gerettet werden können. Aber die Stadt will sich keine Daseinsfürsorge mehr ans Bein binden, auch wenn Privatisierung, ganz offensichtlich und immer wieder bewiesen, zu Misswirtschaft und Missbrauch von Geldern führt, was dann auch noch durch den Tendenzschutz gedeckt wird. Wer schützt hier wen oder was?
Da ist eben viel Geld drin, über dessen Verwendung niemand Rechenschaft ablegen muss. Nicht umsonst hat sich eine ganze Branche Wirtschafts- und Rechtsfachleute ebenso wie inzwischen jede Menge fragwürdiger Investoren auf die Abwicklung von Unternehmen in der sozialen Arbeit und im Gesundheitswesen spezialisiert. Sie werben mit Slogans dafür, dass sich die Geschäftsführungen ganz entspannt ihrer Altlasten entledigen können, was natürlich bedeutet: Insolvenz, Zerschlagung, Zersplitterung, Abwicklung.
Wie schön, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses ihre Hände in Unschuld waschen können, sie hätten im CeBeeF zwei Jahre lang nicht gemerkt, dass der Laden vor die Hunde geht, um schließlich kurz vor der Angst ein extrem teures Wirtschaftsprüfungsunternehmen reinzuholen, das nichts Besseres zu tun hat, als illegalerweise die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats anzuzweifeln, statt sich um die eigentlichen Ursachen für das Missmanagement zu kümmern. Obwohl sie, wie gesagt, wussten, woran das Unternehmen krankte. Und wie traurig, dass all das viele Geld umsonst ausgegeben worden war, bis man feststellte, dass doch verkauft werden muss. Alles zu Lasten derer, die mit ihrer Arbeit vor Ort das refinanzierte Geld erwirtschaften. Denn nicht zuletzt wurden diese Menschen, man überlege sichd as, beim sogenannten Asset Deal mitverkauft
Es ist eben viel einfacher, sich an denen schadlos zu halten, die außer dem Betriebsrat keine Lobby haben und jegliche Fehler auf deren Rücken auszutragen, nämlich auf dem Rücken der Mitarbeiter*innen. Mit Ausnahme derer natürlich, die sich irgendwie verdient gemacht haben müssen, sodass die alte Geschäftsführung diese nachhaltig schützte. Inzwischen sind auch von den Willfährigsten einige gegangen worden, also merkt auf, nicht immer wirkt der Zauber des vorauseilenden Gehorsams! Schließlich müssen auch die großmütigsten Alleinherrschenden irgendwann für sich selbst sorgen und ihre Vasallen fallenlassen, spätestens wenn es ihnen selbst an den Kragen geht.
Keine Lust mehr zu investieren?
Jetzt also keine 2. Hälfte der Jahressonderzahlung. Der Investor (bei dem man sich übrigens auch für einen anderen, der mit den Zahlen wohl vertraut war, hätte entscheiden können) hat ganz offensichtlich keine Lust mehr, erneut Geld zu investieren, um für Liquidität zu sorgen. Und dass obwohl er uns das Blaue vom Himmel herunter versprochen hat, bevor er uns aufkaufte. Dabei wusst er genau, dass der Betrieb mit einem negativen Kaufpreis und keinerlei Rücklagen für irgendetwas, auch nicht für die Jahressonderzahlung, kaum wieder auf die Beine kommen kann. Zumal man das Overhead, wie ständig von der Stadt gefordert, nicht etwa verschlankt hat, sondern jetzt noch mehr Geschäftsführungs- und sonstige Posten geschaffen wurden. Ja sicher, einige wanderten jetzt auch schon ab zu Teamwerk, nicht zuletzt die ehemalige Geschäftsführerin, die dort ihr Auskommen gefunden hat, wiederum ist ein Schelm, wer Arges denkt. Aber was soll man schon denken, wenn die Konkurrenz im eigenen Haus blüht und gedeiht, weil der Investor hier offenbar nicht auf seine Kosten wirtschaftet, sondern, wie könnte es es anders sein, offenbar auf Kosten der dortigen Kolleg*innen.
Wer weiß, vielleicht hat der Investor recht, wenn er von „Sozialromantik“ spricht, wenn es um eine angemessene Refinanzierung geht. Denn da die Tendenz die Offenlegung der Zahlen so schön verhindert, kann nie herausgefunden werden, wie vollständig der Betrieb – jetzt dreigeteilt – tatsächlich refinanziert ist. Was ist mit bedacht worden? Ein hoher Krankenstand, wie er in der sozialen Arbeit üblich ist? Betriebliches Eingliederungsmanagementn (BEM)? Dienstausfall, z.B. Stunden, die vorgehalten, also weiter bezahlt werden müssen, wenn Kinder oder Kund*innen krank sind? Alle Arbeitsschutzmaßnahmen? Damit zusammenhängende Demokratie im Betrieb, also Ausschüsse und Gremien sowie der Betriebsrat? Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen? Akquise? Ein umfangreiches Management? Mieten und Betriebs- sowie alle Sachkosten? Die Möglichkeit Rücklagen zu bilden? Und, last but not least, eine funktionierende Ausfallsicherung? Wir können nur raten, was vielleicht gezahlt wird und was nicht. Und erst recht nicht können wir wissen, ob die gezahlten Gelder sachgerecht verwendet werden.
Hätte, hätte, Fahrradkette, es ist Aufgabe der Verantwortlichen, den Laden am Laufen zu halten. Wenn sie das mit den aktuellen Mitteln und Wegen nicht schaffen, müssen andere Wege gefunden werden, unsere gute Arbeit fortzusetzen. Üblicherweise tauscht man z.B. bei Missmanagement die Geschäftsführung aus, hier also die tatsächlich Verantwortlichen. Schwierig, wenn das Problem beim Investor liegen sollte! Der hat übrigens das CeBeeF-Haus, das beim Weiterverkauf von Unternehmen und Mitarbeiter*innen an seine Zweit-Firma in der Erstkäufer-Firma verblieb, inzwischen – sicher gewinnbringend – weiterverkauft. Bald können wir die Schelme sammeln, die Arges denke mögen! Hat nicht jemand einen englischen Hosenbandorden für den Mann und alle seine Mitgewinnler?
Letzte Hoffnung?
Eines jedoch wäre fatal, wenn jetzt die Mehrheit der Kolleg*innen keine Lust mehr hätten zu bleiben, weil sie einmal zu viel enttäuscht wurden. Weil ihnen Tariflohn mit all seinen Extras – obwohl er refinanziert wird – vorenthalten wird, anderswo aber gezahlt wird. Wir dürfen das, was wir leisten, nicht so gering schätzen. Wir wissen doch: Wir werden gebraucht. Viel eher sollten wir uns gut organisieren und kämpfen. Dazu müssen wir öffentlich Zeichen setzen! Nur mit genügend Engagement und lautstarkem Protest wird man gehört!
Wir müssen mehr denn je alles auf die Tarifverhandlungen setzen; und nicht nur in den CeBeeF-Gesellschaften, auch in Teamwerk wird der Tarifvertrag nach TVÖD gebraucht. Die Geschäftsführung kann nicht unendlich lange in Arbeitsverträge neuer Kolleg*innen den Passus reinschreiben, dass fehlender Lohn nachgezahlt würde, wenn die laufenden Tarifverhandlungen abgeschlossen sind. Solche Formulierungen zahlen sich sicher aus bei den Verhandlungen mit den Kostenträgern. Aber Abraham Lincoln folgend, kann man niemanden unbegrenzt zum Narren halten, falls das Ganze Taktik sein sollte. Zumal, es hätte sich auch ausgezahlt, wenn wir nach wie vor Tariflohn zahlten, nämlich gute Mitarbeiter*innen zu bekommen. Darüber, dass wir TVÖD zahlen und damit gute Arbeitskräfte anlocken, haben uns viele Träger in der Vergangenheit beneidet.
Die Stadt Frankfurt hingegen und auch andere Kostenträger mögen sich derzeit vielleicht freuen, wenn der Investor mit Teamwerk gute Arbeit zum Schleuderpreis anbietet. Aber auch das funktioniert nicht unendlich lange. Hohe Fluktuation und mangelnde Qualität der Arbeit zeichnen oft solche Betriebe auf die Dauer aus. Altruismus hin oder her, Arbeitskräfte, die etwas können, kennen ihren Wert! Und auch die Kund*innen und Eltern der betreuten Kinder wissen, was sie an uns haben.
Deshalb müssen wir mehr den je auf die Tarifverhandlungen setzen. Denn mit einer großen Menge an Ver.di-Mitgliedern und einer Lobby im Rücken, die keine große andere Gegenleistung verlangt als persönliches Engagement für sich und andere (1% Beitrag liegt unterhalb der tariflichen Erhöhungen), mit solch einer Lobby hat selbst eine Geschäftsführung, die sich nicht für ihre Mitarbeiter*innen einsetzt, weniger Probleme mit der Refinanzierung.
Wir können nicht weiterhin an Wunder glauben, nicht mit einem Investor, der offenbar nicht bedacht hat, dass viele Lücken, z.B. der Sommer in CIS und die nicht angesparte Jahressonderzahlung, ihn extra Geld kosten (weswegen der andere Interessent von Übernahme im August gesprochen hat).
Nicht der Investor, nein, nicht mal Obi-Wan Kenobi, wenn es ihn gäbe, sondern Ver.di ist unsere letzte Hoffnung! Und das bedeutet: Wir sind gefragt! Denn Gewerkschaft ist unsere gemeinsame Chance. Gewerkschaft funktioniert über ihre Mitglieder, die sich mit gewerkschaftlicher Rückendeckung für ihre Rechte einsetzen. WIR SIND ES WERT!